Samstag, 3. September 2016

Der Wolf als Umweltgestalter - eine ökologische Kettenreaktion


Neulich stiess ich auf eine Nachricht, die mich sehr überrascht hat und die zeigt, wie wenig wir über die Natur doch wissen, während wir uns doch als Spezies für unglaublich schlau halten und der Umwelt Dinge zumuten, die - gelinde gesagt - unüberlegt und töricht sind, wenn man auf das Ende sieht.

Im Jahre 1995 wurden im Yellowstone Nationalpark 14 Wölfe aus Kanada wieder eingebürgert. Ein Jahr später nochmals 17 Wölfe. Dem vorangegangen waren Jahrzehnte heftiger und kontroverser Diskussionen zwischen Regierung und Jägern, Farmern und des U.S Fish und Wildlife Service.



Quelle: https://www.nps.gov/yell/planyourvisit/index.htm






Nachdem die letzten Wölfe um das Jahr 1920 geschossen worden waren, entwickelten sich die Neuankömmlinge wie erwartet und legten bald an Zahl zu. Die jetzige Population dürfte bei rd. 100 Wölfen in 11 Rudeln (Rudelgrösse zwischen 2 und 14 Wölfen, Zahlen von 2014 https://www.nps.gov/yell/learn/nature/upload/2014-wolf-report.pdf).



Quelle: http://www.nathab.com/us-national-parks-tours/yellowstone-winter-photo-tour/

Das war aber nicht der einzige Effekt, der ausserdem ja zu erwarten war. Es gab eine ganze Reihe von Veränderungen, von den einige doch sehr zu denken geben. Zunächst nahm die Zahl des Rotwildes ab, dessen Population sich von rd. 20.000 auf 10.000 verringerte.

nachstehende Fotos: http://www.yellowstonepark.com





Die Zahl der Bäume in den Tälern und Flussniederungen nahm beträchtlich zu. Nachdem an diesen Stellen kaum noch junge oder jüngere Bäume gewachsen waren (die verbliebenen waren rd. 70 Jahre alt, was sich dem dem Verschwinden des Wolfes zeitlich deckt), waren innerhalb weniger Jahre wieder viele Espen, Weiden und Pappeln nachgewachsen und bildeten Baumgruppen und Wäldchen, zwischen denen auch Büsche und Sträucher wachsen konnten. Diese Vegetation war vom Rotwild immer wieder abgefressen und kurz gehalten worden. Die Hirsche und Elche zogen sich nun mehr in Gegenden zurück, in denen sie vor den Wölfen sicherer waren oder sich besser verstecken konnten.



Die neu treibenden Baumschösslinge sorgten auch dafür, dass Biber wieder heimisch wurden, die Weidenholz bevorzugen, und ihre Dämme und Burgen bauten, was wieder den Lauf der Flüsse veränderte. Vormals schnell abfliessendes Wasser staute sich, bildete kleinere Teiche und ruhigere Flachwasserzonen, was die Anzahl und Varietät von Amphibien und Fischen erhöhte.



Bären fanden wieder zusätzliche pflanzliche Nahrung an beerentragenden Sträuchern und profitierten auch von den Jagderfolgen der Wölfe, da diese nach der ersten Sättigung an der Beute oft den Kadaver liegen liessen. Dies lockte auch Vögel wie Seeadler, Steinadler, Raben und Elstern an.



Die Wölfe hielten auch die Kojoten in Schach, was dazu führte, dass der Rotfuchs und viele kleinere Nager wieder heimisch wurden. Die nun durch Baumbewuchs gesicherten Uferzonen von Flüssen und Bächen waren nun weniger erosionsgefährdet, die Wasserläufe stabilisierten sich, die Vielfalt an Blumen und Sträuchern nahm soweit zu, dass wieder 30 weitere Singvogelarten und viele Insekten im Park auftauchten, die vorher verschwunden oder nur selten anzutreffen waren.

Der im Park tätige Biologe William J. Ripple, Professor für Botanik an der Oregon State University, ist überzeugt vom "Wolf-Effekt". Er schreibt diese Veränderungen, die nun unübersehbar sind, nicht klimatischen Effekten oder anderen Dingen zu, sondern ist davon überzeugt, dass der Wolf mit seinem Wiederauftauchen im Park eine ganze biologische Kettenreaktion in Gang gesetzt hat, die ihn immer wieder selbst überrascht und mich ebenso.